Community statt Influencer Trips: Diese Marken laden Kund*innen zu Gratis-Luxusreisen ein

Wie Refy Beauty, Waterboy und Noles für neue Produkteinführungen trommeln wollen

Inhalt
  1. Schöne Menschen, Orte und Bilder = viel Aufmerksamkeit?
  2. Refy Beauty ist Community-Trip-Pionier
  3. 250 Prozent mehr Engagement dank Reise-Abstimmungen
  4. Waterboy nutzt "Challenges" als Reichweitenhebel
  5. Influencer dürfen Abonnent*innen einladen
  6. Deutsches Parfüm-Startup Noles lädt nach Griechenland

Kund*innen auf luxuriöse Reisen einzuladen und diese dann noch zu beschenken – kann das wirklich eine sinnvolle Marketingmaßnahme sein? Startups wie Refy Beauty, Waterboy und Noles glauben an die Strategie. Dass die gerade angesagt ist, dürfte auch mit der zunehmenden Influencer-Müdigkeit der Verbraucher*innen zu tun haben. OMR erklärt die Hintergründe und zeigt Beispiele – mit konkreten Zahlen.

"Freut mich für Euch, aber das zeigt einfach nur, wie viel zu viel wir für Tarte-Produkte bezahlen!" – Als die US-Kosmetikmarke Tarte Anfang 2023 eine Gruppe von 29 Influencerinnen, darunter It-Girl Alix Earle, anlässlich der Markteinführung einer neuen Make-up-Foundation zu einer luxuriösen Reise nach Dubai einlädt, diese mit Kleidung und Kosmetik beschenkt und alles in Kurzvideos auf Social Media dokumentiert wird, fällt die Reaktion in der Kommentarspalte ziemlich ungnädig aus. Ein Kritikpunkt: die wenig diverse Zusammensetzung der Reisegruppe. Ein weiterer: Die mangelnde Sensibilität, nach der Corona-Pandemie und in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwung mit luxuriösen Reisen zu prahlen.

tarte_kommentare_collage.jpg

Nutzerkommentare zu einem Video von Tarte Cosmetics von einem Influencer Trip nach Dubai Anfang 2023

Schöne Menschen, Orte und Bilder = viel Aufmerksamkeit?

Und die negativen Reaktionen beschränken sich nicht nur auf Kommentare. Andere User laden auf den Plattformen eigene kritische Videos über den Influencer Trip hoch, die teilweise enorme Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch Medien wie Vogue Business und The Independent berichten über den Backlash. Firmengründerin Maureen Kelly verteidigt sich gegenüber dem Branchenmedium Glossy und sagt, sie sei stolz auf den Trip. Als Tarte Cosmetics ein Jahr später erneut einen Influencer Trip, diesmal nach Bora Bora, veranstaltet, brandet jedoch wieder Kritik auf. Diesmal berichten auch die New York Times, Business Insider und der Rolling Stone.

Lange waren so genannte "Influencer Trips" (auch "Brand Trips") im Social-Media-Zeitalter ein etabliertes Marketingmittel. Das Rezept war einfach: Marken wie Tarte oder auch Revolve laden junge, attraktive Influencer mit großer Eigenreichweite zu Reisen in luxuriöse Unterkünfte an exotischen Orte ein und beladen sie mit Geschenken. Die dabei entstehenden Inhalte sammeln nicht nur über die Vielzahl der Accounts eine enorme Reichweite ein, sondern verleihen auch der veranstaltenden Marke Begehrlichkeit.

Refy Beauty ist Community-Trip-Pionier

Doch mittlerweile scheint diese Masche bei den Verbraucher*innen immer schlechter anzukommen. Offenbar sind heute viele Menschen deutlich skeptischer über die Motive der Influencer*innen bei den Produktempfehlungen. Aber auch die wirtschaftliche Unsicherheit, die viele Menschen dazu zwingt, sparsamer zu leben, lässt den Kontrast zwischen der glitzernden Social-Media-Fassade und der ernüchternden Realität noch deutlicher zutage treten.

Einige Marken haben sich nun umorientiert und im vergangenen Jahr damit begonnen, "Community Trips" durchzuführen, zu denen sie ihre Kund*innen einladen. Die britische Kosmetikmarke Refy Beauty hat beispielsweise im Juli 2024 eine Gruppe von acht Kundinnen (darunter wohl auch einige Micro Influencerinnen) in eine Villa nach Mallorca eingeladen. Das Unternehmen übernahm nicht nur die Kosten für Anreise und Unterkunft, sondern sorgte auch für Geschenke und ein umfassendes Programm – ganz wie bei einem klassischen Influencer Trip.

250 Prozent mehr Engagement dank Reise-Abstimmungen

[Screenshot Broadcast Channel?] Der Unterschied aus Marketingsicht: Anders als bei den Influencer Trips, bei denen die Videos während oder nach der Reise veröffentlicht werden, entsteht bei Community Trips ein Großteil der Aufmerksamkeit bereits im Vorfeld. Refy Beauty hat die Kundinnenreise größtenteils über den Instagram Broadcast Channel organisiert; eine Art Chat-Kanal, dem jede*r Nutzer*in beitreten kann, der sich aber an die treuesten Kunden richtet. Dort stellte Mitgründerin Jess Hunt die Idee für den Community Trip vor; hier gab es den ersten Aufruf, sich für eine Teilnahme zu bewerben und die Kanalmitglieder konnten über mögliche Aktivitäten abstimmen.

Auf diese Weise sollen die Beiträge laut Business of Fashion sechs Millionen Views innerhalb von drei Tagen eingesammelt haben. Wie Vogue Business schreibt, soll der Broadcast Channel in diesem Zeitraum ein Engagement-Wachstum von 250 Prozent verzeichnet haben. Vor dem Community Trip soll der Kanal 4.000 Mitglieder gezählt haben, heute steht er bei 16.300 Menschen. Menschen, die, weil sie den Kanal abonniert haben, direkt Nachrichten von Refy in ihr Instagram Postfach bekommen und (so sie es nicht deaktiviert haben) über jede einzelne Nachricht per Push Notification informiert werden.

Waterboy nutzt "Challenges" als Reichweitenhebel

Community Trips werden vorrangig von Kosmetikmarken als Marketingmittel genutzt. Viele von ihnen experimentieren dabei mit verschiedenen Aktivierungsmaßnahmen und Reichweitenhebeln: Topicals beispielsweise knüpft den potenziellen Zugang zu Community Trips an ein mehrstufiges Kundenbindungsprogramm. Cocokind sammelt von Kundinnen während der Reise Feedback und Ideen für Produkte ein und postet diese auch auf dem eigenen Instagram Account.

Zu den wenigen Nicht-Kosmetikmarken, die auf Community Trips setzt, gehört Waterboy. Das US-Startup verkauft kleine Pulvertütchen, mit denen sich Wasser mit Geschmack und Nährstoffen versetzen lässt (und mit denen sich u.a. ein Kater nach dem Feiern vermeiden lassen soll). Im vergangenen Jahr hat Waterboy einen ersten Community Trip durchgeführt und dafür mehrere Challenges ausgerufen. So konnten Bewerber*innen beispielsweise Posts auf Instagram oder Tiktok hochladen oder eine persönliche Geschichte zu Waterboy einschicken.

Influencer dürfen Abonnent*innen einladen

Wie Social Media Managerin Jenna Palek in einem Video auf ihrem persönlichen Tiktok-Account erklärt, hat die Aktion Waterboy 2,3 Millionen Impressions und 8.000 neue Follower*innen auf Instagram sowie 2,2 Millionen Impressions und 67.000 Follower*innen auf Tiktok eingebracht. "Wir haben ein Publikum erreicht, das wir sonst vermutlich nicht erreicht hätten", so Palek. Zudem habe das Unternehmen das Luxus Resort für die Reise rabattiert buchen können, im Gegenzug dafür, dass das Resort die im Rahmen der Reise entstandenen Inhalte fürs eigene Marketing nutzen darf. Und der über den Community-Trip-Content promotete Gutschein-Code soll sogar dafür gesorgt haben, dass Waterboy mit der Reise Gewinn gemacht habe.

Gerade plant Waterboy eine erneute Auflage der Reise. In diesem Jahr bezieht das Startup Influencer mit ein: So rufen beispielsweise Halley Kate und Mei Mei Monstaa dazu auf, unter ihren jeweiligen Videos zu kommentieren, um eine Chance auf die Teilnahme zu erhalten. So gelingt es Waterboy doch noch einmal, die Reichweiten der Influencer für die eigenen Zwecke zu nutzen, ohne, dass dies der Community sauer aufstößt.

Deutsches Parfüm-Startup Noles lädt nach Griechenland

Mittlerweile ist der Trend zu Community Trips auch in Deutschland angekommen. Vor drei Wochen hat Farina Opoku, Mitgründerin der Parfümmarke Noles, über Instagram dazu aufgerufen, sich für die Teilnahme an einer Reise auf die griechische Insel Samos zu bewerben, wo dann der neue Noles-Duft vorgestellt werden soll. Insgesamt zehn Teilnehmende können auf Losglück hoffen. Wie Mitgründerin Ann-Katrin Schmitz gerade auf der Red Stage des OMR Festivals berichtet hat, hat das Noles-Kampagnenvideo 275.000 Instagram Accounts erreicht und in den ersten vier Stunden mehr als 5.000 Einsendungen verzeichnet.

Und auch bei der vor zwei Jahren von den Usern noch gescholtene Kosmetikmarke Tarte hat ein Umdenken eingesetzt. Sie lädt jetzt zu ihren Trips nicht nur Influencer, sondern regelmäßig auch Kund*innen mit ein – aktuell zum vierten Mal.

InstagramInstagram MarketingTikTokTiktok MarketingCreator MarketingCreator EconomyCreatorBrandingSocial MediaSocial Media Marketing
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

Alle Artikel von Roland Eisenbrand

Ähnliche Artikel

Kostenlose Online-Seminare

Florian Litterst & Lena Junker

Meta Ads mit System testen: Weniger Budget, mehr Performance

21.5.2025 10:00 - 11:00 Uhr
Daniel Mühlbauer

KI in der HR-Praxis: Tools, Tipps & echte Use Cases

22.5.2025 10:00 - 11:00 Uhr
Patrick Gromm & Max Braunleder

Kommunikation prägt Kultur - “Wir sind hier (k)eine große Familie!

5.6.2025 10:00 - 11:00 Uhr
Aktuelle Stories und die wichtigsten News für Marketeers direkt in dein Postfach!
OSZAR »